DIGITASA 2021 - Zentrale Ergebnisse der ersten bundesweiten Pulsbefragung  

Im Folgenden werden einige Ergebnisse des ersten Erhebungszeitraumes (Mai/Juni 2021) vorgestellt, an der sich 488 Personen aus allen Bundesländern beteiligten, wobei Bremen und Niedersachsen am stärksten vertreten sind. Die Mehrzahl der Befragten ist im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig, 25% geben als Handlungsfeld die Hilfen zur Erziehung an. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden sind Fachkräfte ohne Leitungsfunktion, 37% sind Führungskräfte, die übrigen 10% sind Ehrenamtliche oder Hilfskräfte ohne Formalqualifikation. Die Mehrheit der Befragten arbeitet bei freien Trägern, gefolgt von Mitarbeitenden öffentlicher Träger (28%), im privatwirtschaftlichen Bereich sind 13% tätig.

Abbildung 1: Genutzte Geräte und Formate I 


Digitale Formate, Ausstattung und Kompetenzen

Die E-Mail ist wenig überraschend ein Standard-Instrument im Arbeitsalltag, ebenso wie die Website und das Intranet bzw. der Server des Trägers (siehe Abbildung 1). Das Faxgerät wird nur von knapp der Hälfte der Befragten überhaupt als Instrument angegeben. ​Cloud-Dienste werden hingegen bisher nur von einem Viertel genutzt und speziell für die Soziale Arbeit entwickelte Apps spielen eine geringe Rolle. Was überrascht, ist, dass fast die Hälfte der Befragten angibt, private Hardware für Dienstzwecke zu nutzen. Dies kann als Hinweis auf ein strukturelles Defizit innerhalb der Sozialen Arbeit bezüglich der technischen Ausstattung interpretiert werden und erklärt sich vermutlich unter anderem durch mangelnde finanzielle Ressourcen der Einrichtungen. 

Hierzu passt auch, dass nur 9% der Befragten die technische Ausstattung in der eigenen Einrichtung als sehr gut einschätzen. 34% bewerten sie als gut, 27% als befriedigend ​und 30% als ausreichend bis mangelhaft. Interessant ist, dass Führungskräfte die Ausstattung deutlich positiver bewerten als Fachkräfte. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Arbeitsplätze der Führungskräfte technisch besser ausgestattet sind als die der Mitarbeitenden, dass Führungskräfte andere Software anwenden und sie zu anderen Zwecken nutzen. 

Bei der Frage nach den Nutzungszwecken digitaler Formate zeigt sich, dass Videokonferenztools wie Zoom und Microsoft Teams ​weit verbreitet sind (siehe Abbildung 2). Die Nutzung von Dokumentations-Software, wie z.B. Daarwin und Vivendi, wird hingegen nur von der Hälfte der Befragten angegeben. Dies deutet darauf hin, dass Dokumentationsaufgaben in vielen sozialen Einrichtungen noch ohne speziell dafür entwickelte digitale Tools bewältigt werden. Messengerdienste nutzen fast zwei Drittel der Befragten, wobei auffällig ist, dass hier zuallererst WhatsApp genannt wird, deren Nutzung mittlerweile aus Datenschutzgründen von den Kostenträgern in der Regel untersagt ist. Social Media-Plattformen werden nur von einem Drittel der Befragten als beruflich genutztes Instrument angegeben, dabei werden v.a. Facebook, Instagram und Youtube​ genannt. Kollaborationssoftware wie z.B. Microsoft Teams oder Skype werden von über einem Drittel genutzt, während Jobportale wie XING oder LinkedIn aktuell keine große Bedeutung zu haben scheinen. 

In der Befragung wurden auch die digitalen Anwendungskompetenzen in der eigenen Einrichtung thematisiert. Hierbei lässt sich eine tendenziell skeptische Einschätzung feststellen. Ein Drittel der Befragten bewertet die Kompetenzen in ihrer Einrichtung als ausreichend oder mangelhaft, während nur 4% sie als sehr gut bewerten. Interessant wird es, wenn man diese Ergebnisse mit der Einschätzung der Befragten bezüglich ihrer eigenen digitalen Kompetenzen vergleicht. Hier attestieren sich 69% eine gute bis sehr gute Anwendungskompetenz. Die Hypothese, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede geben könnte, bestätigt sich nicht. Die Kreuzung mit dem Alter zeigt wiederum, dass die unter 40-Jährigen ihre eigenen Kompetenzen häufiger als sehr gut einschätzen als die älteren Befragten. 


Abbildung 2: Genutzte Geräte und Formate II 


Chancen und Risiken 

Gefragt nach möglichen Chancen der Digitalisierung für die einrichtungsinterne Kommunikation gibt die deutliche Mehrheit der Befragten an, diese seien vorhanden. Nur 7 % sehen eher keine Chancen. Dabei schätzen Führungskräfte die Chancen tendenziell größer ein als Mitarbeitende ohne Leitungsverantwortung. Welche Chancen konkret gesehen werden, ist dabei unterschiedlich. So erläutert beispielsweise ein/e Mitarbeiter:in: "Meetings können teils schneller und unkomplizierter einberufen werden. Der persönliche Kontakt bleibt jedoch wesentlicher Bestandteil der Sozialen Arbeit". Eine Führungskraft äußert wiederum: "Kommunikation kann — sichere Anwendung vorausgesetzt — effektiver und transparenter werden (z.B. Klientensoftware). Ein Cloud-basierter Datenaustausch kann schnell und datenschutzkonform durchgeführt werden". 


Bei der Frage nach möglichen Risiken und Nachteilen der Digitalisierung für die Kommunikation mit den Adressat:innen zeigt sich ein heterogenes Bild (siehe Abbildung 3). Knapp die Hälfte der Befragten sieht Risiken. Ein Drittel sieht eher keine bis gar keine Risiken. Hier zeigen sich erneut Unterschiede: Führungskräfte schätzen die Risiken im Vergleich zu Mitarbeitenden geringer ein. Hierzu passend äußern Befragte aus den Handlungsfeldern Management und Verwaltung im Vergleich zu Befragten mit direktem Kontakt zu Adressat:innen weniger Zweifel an den Chancen der Digitalisierung. 

 

Die Befragten wurden auch um ihre Einschätzung gebeten, inwiefern sich die Teilhabechancen für die Adressat:innen durch die Digitalisierung verändern. Dabei zeigt sich, dass mehr als die Hälfte der Befragten davon ausgeht, dass sich die Teilhabechancen der Adressat:innen erhöhen. Aber es gibt auch ein Viertel, das unentschieden ist, ob die Digitalisierung die Teilhabechancen erhöht oder verringert und 19% sehen eher keine solchen Chancen. Insgesamt sehen die jüngeren Befragten eher Teilhabechancen durch die Digitalisierung als die älteren Befragten. 

Eine weitere Frage richtete sich auf die Bewertung der Datenschutzsicherheit in der eigenen Einrichtung. Mit Blick auf die breit geführte Datenschutzdiskussion ist überraschend, dass 61% der Befragten die Datenschutzsicherheit als hoch oder sogar sehr hoch einschätzen und nur 9% davon ausgehen, dass diese gering bzw. nicht vorhanden sei.​ Dabei zeigt sich, dass Mitarbeitende sowie Führungskräfte der unteren bis mittleren Ebene die Sicherheit bezüglich des Datenschutzes als signifikant geringer einschätzen als Führungskräfte der oberen Ebene. 

Im Zusammenhang mit Chancen und Risiken der Digitalisierung wurde auch gefragt, ob diese langfristig zum Abbau von Arbeitsplätzen in der Sozialen Arbeit führen könnte. Eine Mehrzahl der Befragten geht nicht davon aus. Nur 15 % rechnen damit, dass dies passieren könnte, 16% sind unsicher.  


Im Rahmen der Freitextantworten zu dieser Frage fällt auf, dass vor allem Mitarbeitende ohne Leitungsverantwortung die Relevanz der Interaktion und des persönlichen Kontaktes mit Klient:innen betonen. In diesem Zusammenhang wird die Hoffnung geäußert, dass das Personal nicht digital ersetzt wird. Andere Befragte weisen hingegen auf das Potenzial einer Personalkosteneinsparung hin. Insgesamt gehen Mitarbeitende von einer zunehmenden Hybridisierung und damit einer digitalen Ergänzung analoger Angebote aus. 

Führungskräfte fokussieren hingegen Effizienzsteigerung, zunehmende Standardisierung von Arbeitsprozessen und eine Erleichterung von Routinearbeiten​, wobei auch hier die Notwendigkeit einer Ergänzung statt eines Ersatzes durch digitale Angebote betont wird​. In diesem Zusammenhang erwarten manche Führungskräfte einerseits einen Zuwachs von mit digitalen Prozessen befassten Stellen in den Organisationen und andererseits einen Abbau von Arbeitsplätzen, v.a. in der Verwaltung. 


Abbildung 3: Risiken für die Kommunikation mit Adressat:innen


Fazit und Ausblick 

Die Ergebnisse der ersten Erhebung der DIGITASA-Pulsbefragung zeigen auf, dass digitale Formate längst Einzug gehalten haben in den Arbeitsalltag sozialer Organisationen. Sie werden genutzt für die interne Kommunikation im Team, für die Dokumentation, für Netzwerkarbeit oder für die Personalakquise und dabei oft als Unterstützung und Erleichterung wahrgenommen. 

Bezogen auf den direkten Kontakt mit Adressat:innen zeigt sich hingegen ein zwiespältiges Bild: Einerseits betonen sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte, dass die Digitalisierung auch hier unabdingbar ist, anderseits wird häufig darauf verwiesen, dass digitale Formate den direkten Kontakt nur ergänzen und nicht ersetzen dürfen. 

Bemerkenswert ist, dass sowohl die Anwendungskompetenzen als auch die Gewährleistung des Datenschutzes in den Einrichtungen deutlich besser eingeschätzt werden, als es im Fachdiskurs diskutiert wird. Dies kann aber auch darin begründet sein, dass sich eher digital affine Personen an der Befragung beteiligt haben könnten. 

Anders als zu vermuten wäre, zeigen sich in den Antworten der Befragten kaum Unterschiede, wenn nach Alter oder Geschlecht differenziert wird. Deutliche Differenzen ergeben sich zum Teil aber zwischen den befragten Mitarbeitenden und den Führungskräften.  Insgesamt stehen Führungskräfte dem Thema Digitalisierung aufgeschlossener gegenüber als Mitarbeitende. 

 
Welche digitalen Formate sich „Post-Corona“ dauerhaft in der Sozialen Arbeit durchsetzen, welche Software und welche Technologien dazukommen (z.B. auch Chat GPT und andere KI-basierte Technologien) und wie sich die Perspektiven der Beschäftigten auf die Digitalisierung verändern, sind bedeutsame Fragen für die Praxis der Sozialen Arbeit. Diesen gehen wir mittels regelmäßiger Erhebungen nach. 



Bei einer Nutzung der hier vorgestellten Studienergebnisse bitten wir um Angabe der Quelle wie folgt:
Matthies, A., Tetens, J. & Wahren, J. (2022): Digitalisierung verändert Soziale Arbeit - Zentrale Ergebnisse der bundesweiten Pulsbefragung 2021. IU Internationale Hochschule (Aufgerufen am TT.MM.JJ, verfügbar unter www.digitasa.de).

Weitere Ergebnisse der ersten Erhebung 2021 finden Sie auch in unserem Beitrag (open access) in der Zeitschrift "Sozial Extras":
https://link.springer.com/article/10.1007/s12054-023-00588-2