DIGITASA 2023 - Erste Ergebnisse der zweiten bundesweiten Pulsbefragung  

Im Folgenden werden einige Ergebnisse der zweiten DIGITASA-Erhebung (Mai-Juli 2023) vorgestellt, an der sich 657 Personen beteiligten. Die Teilnehmenden kommen aus allen Bundesländern, wobei Nordrhein-Westfalen (24%), Baden-Württemberg (14%), Bayern (11%) und Bremen (9%) am stärksten vertreten sind. Die Mehrzahl der Befragten ist im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig, 28% geben als Handlungsfeld die Hilfen zur Erziehung an. Ein Drittel der Teilnehmenden sind Fachkräfte ohne Leitungsfunktion, 41% sind Führungskräfte der unteren und mittleren Ebene, 21% sind Führungskräfte der oberen Ebene und 7% befinden sich in Ausbildung bzw. sind ehrenamtlich tätig. Die deutliche Mehrheit der Befragten arbeitet bei gemeinnützigen freien Trägern, bei gewerblichen Trägern sind 12% und beim öffentlichen Träger 11% tätig. 

Abbildung 1: 
Nutzungszwecke digitaler Technik (Mehrfachnennung möglich) 

Hinsichtlich der Nutzungszwecke digitaler Technik zeigt sich, dass bei Dokumentation und Aktenführung mittlerweile offenbar in fast allen Einrichtungen digitale Technik genutzt wird (siehe Abbildung 1). In Buchhaltung und Rechnungswesen kommen bei den meisten Befragten digitale Lösungen zum Einsatz, bei einem Viertel der Befragten ist dies jedoch nicht der Fall. Selbstverständlich scheint in vielen Einrichtungen auch die digitale interne Kommunikation zu sein, ebenso wie die digitale Netzwerkarbeit mit externen Institutionen. Die Kontaktaufnahme bzw. Fallaufnahme erfolgt in mehr als zwei Drittel der Fälle digital. Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass digitale Technik bei der Hilfeplanung eingesetzt wird. In der direkten beraterischen bzw. pädagogischen Arbeit mit Adressat:innen sowie in der Anamnese bzw. Diagnostik wird digitale Technik hingegen seltener eingesetzt.

Abbildung 2: 
Hauptsächliche Finanzierung von Digitalisierungsprozessen in der Einrichtung  (Mehrfachnennung möglich) 

Bei der beruflichen Nutzung digitaler Technik verwenden 44 % der Befragten auch ihre privaten digitalen Endgeräte. Es stellt sich die Frage, ob dies auch eine Folge des geringen finanziellen Spielraums von sozialen Einrichtungen ist. So werden Aufwendungen für Digitalisierungsprozesse bisher nur bei einem Drittel der Befragten über vertraglich vereinbarte Entgelte oder Zuwendungen finanziert, so dass häufig auf Rücklagen des Trägers zurückgegriffen werden muss (siehe Abbildung 2). Andere Finanzierungsmöglichkeiten, wie Spenden sowie private oder öffentliche Fördermittel werden zwar auch genutzt, jedoch deutlich seltener. Insgesamt fehlt es laut 39 % der Befragten an finanziellen Mitteln für die Gestaltung der Digitalisierung. Die mangelnden Finanzen mögen ein Faktor dafür sein, weshalb über zwei Drittel der Befragten (68 %) angeben, dass ihre Einrichtung bisher über kein Digitalisierungskonzept bzw. über keine Digitalisierungsstrategie verfügt.

Abbildung 3: 
Veränderungen in der Verwaltungsarbeit durch die Digitalisierung 

Neben dem technischen und infrastrukturellen Stand in den Einrichtungen wurden auch die Einschätzungen der Sozialarbeitenden hinsichtlich der mit der Digitalisierung einhergehenden veränderten Arbeitsbedingungen erhoben. Gefragt wurde u.a. danach, inwiefern sich der Umfang an Verwaltungsarbeit durch die Digitalisierung verändert hat. Über die Hälfte der Befragten gibt an, dass der Aufwand gestiegen ist (siehe Abbildung 3). Ein Drittel der Befragten schätzt ihn als gleichbleibend ein und nur ein Zehntel gibt an, er sei gesunken.  

 

Die Frage, ob die Digitalisierung eine Antwort auf den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit sein kann, wird von der deutlichen Mehrheit der Befragten verneint (siehe Abbildung 4). Erklärungen für diese skeptische Haltung können voraussichtlich die zahlreichen erläuternden Freitextantworten liefern, deren Auswertung noch aussteht.

Abbildung 4: 
Digitalisierung als eine Antwort auf den Fachkräftemangel? 

Eine eher zurückhaltende Sicht der Befragten gegenüber den Möglichkeiten und dem Nutzen der Digitalisierung zeigt sich auch bei der Frage, ob eine analoge face-to-face-Interaktion ("physische Ko-Präsenz") den Adressat:innen besser gerecht wird als eine Kommunikation über digitale Kanäle: Drei Viertel der Befragten (75 %) schätzt die analoge face-to-face-Interaktion als vorteilhafter ein. 

Ein weiterer Schwerpunkt der zweiten DIGITASA-Erhebung waren ethische Gesichtspunkte der Digitalisierung. Unter anderem wurden die Sozialarbeitenden gefragt, wie sie unter ethischer Perspektive den Einsatz von Chatbots wie ChatGPT in der Sozialen Arbeit einschätzen. Während fast ein Drittel den Einsatz dieser Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) ethisch als negativ oder sogar sehr negativ bewertet, stehen genauso viele dieser neuen Technik neutral gegenüber (siehe Abbildung 5). Auf der anderen Seite schätzen 15% der Befragten den Einsatz von Chatbots als positiv oder sehr positiv ein. Obwohl also viele der Befragten ethische Vorbehalte zu haben scheinen, teilt die Mehrheit diese Sorge nicht. Auch ein erster Blick in die Freitextantworten zeigt teils rein negative, teils differenzierte ethische Überlegungen.  

Abbildung 5: 
Ethische Einschätzung zum Einsatz von Chatbots in der Sozialen Arbeit 

Insgesamt zeigt sich, dass in Einrichtungen der Sozialen Arbeit bisher insbesondere administrative Prozesse und die professionelle Kommunikation digitalisiert wurden bzw. werden, während digitale Technik in dezidiert sozialarbeiterischen Interaktionen mit den Adressat:innen seltener eingesetzt wird, Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich dies in der Zukunft verändert.   

Die Ergebnisse der Befragung werfen zudem die Frage auf, inwiefern in der Sozialen Arbeit mit Blick auf die Digitalisierung ein Spannungsverhältnis zwischen Innovationsdruck und Investitionsbedarf auf der einen Seite und begrenzten finanziellen Möglichkeiten und eher selten vorliegenden Digitalisierungsstrategien auf der anderen besteht. Beraubt sich die Soziale Arbeit hierdurch ihrer Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung ihrer (zukünftigen) Umwelt?  

Zugleich wird aus den Ergebnissen deutlich, dass viele Sozialarbeitende oft behauptete positive Effekte der Digitalisierung kritisch sehen, dies gilt für das Versprechen der Entlastung von routinemäßigen Verwaltungsaufgaben oder auch für das der Lösung des Fachkräfteproblems.  

Die Ergebnisse zeigen nicht nur an dieser Stelle, dass die Teilnehmenden vielfältige (und teils überraschende) Erfahrungen gemacht und auf dieser Grundlage differenzierte Urteile zum Verhältnis ihrer Profession zu Digitalisierungsprozessen entwickelt haben. Die Gesamtauswertung der weiteren quantitativen Daten sowie der zahlreichen erläuternden Freitextantworten soll dazu beitragen, diese wichtige Perspektive aus der sozialarbeiterischen Praxis adäquat zu erfassen. 

 

Bei einer Nutzung der hier vorgestellten Studienergebnisse bitten wir um Angabe der Quelle wie folgt:
Matthies, A., Sailer, J., Tetens, J. & Wahren, J. (2023): DIGITASA 2023 - Erste Ergebnisse der zweiten bundesweiten Pulsbefragung. IU Internationale Hochschule (Aufgerufen am TT.MM.JJ, verfügbar unter www.digitasa.de).